Feldblumen by Adalbert Stifter

Feldblumen by Adalbert Stifter

Autor:Adalbert Stifter [Stifter, Adalbert]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Zeno.org
veröffentlicht: 2015-06-28T22:00:00+00:00


11. Osterluzei

22. Juli 1834

Armer Freund! Du hast lange warten müssen – und heute, mit welch ganz anderer Empfindung fahre ich fort, als ich damals begonnen.

Gibt es eine Liebe, die so groß, so unermeßlich, so endlos still ist, wie das blaue Firmament? Sie flößt eine solche ein. O mein Titus, mein guter, mein einziger Freund![109] mit mir ist es nun auf alle Ewigkeit entschieden. Mein werden kann sie nie; was wollte auch der ernste, ruhige, gemütsgewaltige Cherub mit mir? Aber lieben mit dem Unmaß aller meiner Kräfte – lieben bis an das Endziel meines Lebens darf ich sie, und so wahr ein Gott im Himmel ist, ich will es auch. Sie ist das reinste und herrlichste Weib auf Erden. Was sagten sie da oft für ein albernes Märlein: die wissenschaftliche Bildung zerstöre die schöne, zarte Jungfräulichkeit, und die Naivetät und die Herzinnigkeit und so weiter? – Hier ist doch eine Wissensfülle, an die wenig Männer reichen, und doch steht eine strahlenreiche Jungfrau da – ja, erst die rechte, ernste Jungfrau, auf deren Stirne das Vollendungssiegel leuchtet, eine erblühte, selbstbewußte, eine würdevolle Jungfrau, vor der zaghaft jeder Schmutzgedanke verstummen muß. – Eure Jungfräulichkeit und Weiblichkeit, die mich sonst so entzückte, ist nur erst das Vorbild und die Anlage der rechten, und neben dieser steht sie fast wie Dummheit da – und sie ist es auch, weil sich an sie der Verführer wagt. Am Kinde entzückt das Lallen, aber der Knabe muß reden lernen. Selbst die geistvollsten Mädchen meiner Bekanntschaft, wenn sie neben ihr sind, werden ordentlich armselig, und wenn sie den Mund auftun, so ist es doch nur jenes ›Alltagsei der Einfalt‹, was sie legen. Selbst das Naive, Weibliche, Jungfräuliche an ihnen erscheint mir gemacht und unnatürlich oder unreif neben dem einfachen gelassenen Sichgehenlassen Angelas, das keinen Anspruch und Aufwand macht, und doch erkannt wird als die Königin. Es muß ein riesenhafter Geist gewesen sein, der dieses Weib erzogen hat. Ich bin sie bei weitem nicht wert – aber jede andere vermag ich jetzt auch nicht mehr zu ehelichen, weil ich sie nicht zu lieben vermag, und so will ich ihr Bild bewahren als das schönste Geisterkleinod, was mir in diesem Leben begegnete. Ein tiefer Ernst sitzt mir im Herzen, und sie[110] hob seitdem wieder manche jener erträumten göttlichen Gestalten empor, die einst mein sehnsüchtiges Herz bevölkerten, und die ich aber in die Tiefe sinken ließ, weil ich sie für wesenlose Phantome hielt, nur meiner Sehnsucht angehörend; aber sie hat auch dergleichen und betet sie ruhig an, ohne sich weiter umzusehen, ob ihnen ein Halt zu komme im äußern Gewerbsleben oder nicht; genug, in ihrer Seele, der mondlich stillen, wandeln sie, wie die hohen Gestalten in der Geschichte – und daher sind sie. Ihr hat man die Heiligkeit der Phantasie, die unsere Erzieher eine Betrügerin nennen, nicht verleidet, und sie hat dessen kein Hehl; aber ihre bringt ihr auch nur heilige Gestalten. Mit einem leisen Ruck, mit einem harmlosen Worte, das wie Zufall aus ihrer innern Welt klang, ruft sie oft in



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